naturbauweise
Architekturbüro Sabine Sühlo
Strohballenbau in Bösel, Architekt: Dirk Scharmer, Lüneburg
Bauen mit Strohballen
Der Strohballenbau in Deutschland steht am Anfang einer vielversprechenden Entwicklung. Eingebracht von der Ökologiebewegung übt das Bauen mit Strohballen mittlerweile auch eine große Anziehung auf Menschen außerhalb dieses Spektrums aus.
Angesprochen durch die Kindheitserinnerungen, als man sich auf dem Feld mit Strohballen eine schützende Burg gestapelt hat, befriedigt das Bauen von richtigen Häusern mit Strohballen das Bedürfnis nach einer einfachen und gesunden Bauweise, bei der jedermann und jedefrau mitbauen kann.
Die Geschichte des Strohballenbaus ist ungefähr 120 Jahre alt, erfunden von den Farmern der Getreidefelder in Nebraska, im Norden der USA, mit Entwicklung der ersten Strohballenpressen und in Ermangelung von Rohbaustoffen wie Holz und Steinen. Das älteste gut erhaltene Strohballenhaus aus dieser Pionierzeit ist 85 Jahre alt. Seine Renaissance erlebte der Strohballenbau in den 70er Jahren in Nordamerika mit dem Aufkommen der Umwelt- und Ökologiebewegung.
Diese ersten Häuser in Amerika wurden in lasttragender Bauweise erbaut, d.h. die Wände aus gestapelten, mit Weidenruten oder Eisenstangen armierten und zwischen Fundament und Ringankerbohle eingespannten rechteckigen Strohballen wurden direkt mit der Dachkonstruktion belastet, die Wände nach abgeschlossener Setzung verputzt. Diese lasttragende Bauweise stellt die Essenz des Bauens mit Strohballen dar, sie ist umweltfreundlich, einfach, schnell und kostengünstig.
In den USA, in Kanada, Großbritannien, Dänemark und in der Schweiz sind lasttragende Strohballenbauten immer noch bzw. schon genehmigungsfähig. In Deutschland wird an dieser Zulassung gearbeitet, sie wird aber noch ein paar Jahre brauchen.
Hierzulande muss die Tragfunktion noch von einer Holzkonstruktion übernommen werden. Die Strohballenwände werden als dämmende Ausfachung eingestapelt und komprimiert. Zusätzlich müssen horizontale oder vertikale Unterstützungshölzer im Abstand kleiner 1 m eingebaut werden. Noch ist das Baugenehmigungsverfahren für diese Bauten nur möglich mit einer parallelen Genehmigung im Einzelfall durch die oberste Landesbaubehörde. Das Verfahren ist jedoch inzwischen erprobt und verläuft in der Regel unproblematisch.
In Deutschland wurden seit Anfang der 90er Jahre ca. 35 – 40 Häuser in dieser Bauweise gebaut, jährlich kommen 5 – 10 dazu, Tendenz steigend. Zum überwiegenden Teil sind dies Einfamilienhäuser, aber auch das erste 3-stöckige Mehrfamilienwohnhaus mit 550 qm Wohnfläche, öffentliche Bauten wie ein Seminarhaus und Baubiologisches Zentrum, ein Autohaus, Jugendclubs, Gartenlauben, Experimentalbauten an Hochschulen.
Seit Sommer 2003 gibt es das Zertifikat für die Feuerwiderstandsklasse F30 für Strohballenwände beidseitig mit 3 cm Lehm verputzt. Seit Anfang 2006 gibt es die erste allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für die Verwendung von Strohballen als Wärmedämmstoff zwischen zwei Plattenbeplankungen. Strohballen sind damit z.B. auch im modernen Holzrahmenbau einsetzbar. Die Einstufung zur Brennbarkeit erfolgte per Prüfzeugnis in Baustoffklasse B2-normalentflammbar.
Bauen mit Strohballen ist ökologisches und baubiologisches Bauen pur. Die Hauptbaustoffe sind Holz, Stroh und Lehm als nachwachsende Rohstoffe, preisgünstig, regional verfügbar, aus umweltfreundlicher Herstellung, komplett rückbau- und kompostierbar. Strohballen bieten Dämmeigenschaften in Passivhausqualität (Wärmeleitfähigkeit: lR = 0,045), diffusionsoffene Bauteile und hohes Wärmespeichervermögen. Im Zusammenspiel mit dem Verputz aus Lehm entsteht ein fester und belastbarer Verbundwerkstoff. Der Lehm erfüllt die Anforderungen aus Brandschutz, Ungeziefer- und Mäuseschutz, Stabilisierung und Feuchteregulierung des Bauteils. Seine Oberflächen bewirken ein baubiologisch optimales und gesundes Raumklima.
Gebaut wird meistens mit rechteckigen Kleinballen L/B/H 80-100/45/35 cm. Die Ballen müssen eine Rohdichte von mind. 90 kg/m³ haben. Die Außenwände sind je nach liegendem oder stehendem Einbau der Ballen mit beidseitigem Putz ca. 50 bzw. 40 cm dick. Bei entsprechendem Dachüberstand kann auch außen mit Lehm verputzt werden, die Wetterseite wird allerdings zusätzlich mit Holz verschalt. Neben der Außenwand werden auch Dach und aufgeständerte Sohle mit Strohballen gedämmt.
Strohballeneinbau und Lehmputz sind unter entsprechender fachlicher Anleitung sehr selbsthilfefreundlich und ermöglichen damit eine Reduzierung der Baukosten. Unerlässlich sind dabei Kenntnis und Beachtung von bauphysikalischen Grundlagen und sorgfältige Detailausbildung aller Anschlüsse in Planung und Ausführung.
Der Strohballenbau wird sehr engagiert vorangetrieben vom fasba – Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V., der auch die bauaufsichtlichen Zulassungen und Prüfzeugnisse beantragt und Grundlagenforschungsprojekte initiiert. www.fasba.de
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