naturbauweise
Architekturbüro Sabine Sühlo
Bauen mit Lehm
Das Bauen mit Lehm ist eine der ältesten und verbreitetsten Bauweisen der Menschheit, seine Geschichte lässt sich mindestens 9.000 Jahre zurück verfolgen. Etwa 1/3 aller Menschen leben noch heute in Häusern aus Lehm.
In Mitteleuropa zeigen früheste Funde aus der Bronzezeit, dass Lehm hier als Füllmaterial in Palisaden- und Flechtwerkwänden verwandt wurde.
In Deutschland gibt es verschiedene traditionelle Lehmbautechniken. Am bekanntesten ist die Verwendung von Lehm für die Füllungen der Gefache und das Verputzen von Fachwerkhäusern. In Thüringen und Sachsen war der Wellerbau weit verbreitet, eine Massivbauweise aus aufgeschichtetem und gerade abgestochenem Strohlehm. Viele dieser Lehmhäuser sind noch heute bewohnt. Aus Frankreich, vorwiegend der Gegend um Lyon, kam die „Pisé“ genannte Stampflehmtechnik. In Weilburg an der Lahn steht seit 1828 das höchste Massivlehmhaus Mitteleuropas: ein 5-geschossiger Stampflehmbau.
Im Zuge der Industrialisierung verlor der Lehmbau mit dem Aufkommen „moderner“ Baustoffe allmählich an Bedeutung und galt lange als Arme-Leute-Baustoff der ländlichen Regionen. Nach den beiden Weltkriegen, als Ressourcen und Mittel knapp waren, erlebte er jeweils eine kurze Renaissance.
Mit Aufkommen der Umwelt- und Ökologiebewegung Ende der 70er Jahre begann die Suche nach gesunden und einfach zu verarbeitenden Baustoffen, die aus dem Kreislauf der Natur kommen und wieder dahin zurück gegeben werden, und damit ein Sich-Besinnen auf den uralten Baustoff Lehm.
In dieser Zeit haben engagierte Handwerker und Planer begonnen die alten Techniken wieder auszuprobieren, sich das Know-how selber anzueignen und zu perfektionieren. Inzwischen gibt es im Lehmbau ein breites Feld von Fachleuten in Planung und Ausführung. Es werden Ausbildungsgänge für Handwerker/innen zur „Fachkraft Lehm“ und für „Lehmputze und Gestaltung“ angeboten. Eine große Palette von Lehmprodukten ist am Markt erhältlich und speziell der Lehmputz hat den Sprung in Verkaufsräume, Arztpraxen und in die Wohnzimmer vieler Menschen geschafft.
Das Bauen mit Lehm hat mit Einführung der „Lehmbau Regeln“ auch eine neue rechtliche Sicherheit gewonnen, nachdem die Lehmbau DIN-Norm 1971 als veraltet zurück gezogen worden war. Initiiert durch den „Dachverband Lehm“ wurde ein Regelwerk erarbeitet, in dem die alten Normen überarbeitet und mit historischen Erfahrungen und neuen Erkenntnissen zusammen gebracht wurden. Seit 1998 sind die „Lehmbauregeln“ in Deutschland in die Musterliste der technischen Baubestimmungen aufgenommen und inzwischen auch in den meisten Bundesländern bauaufsichtlich eingeführt.
Die Aufbereitung des Lehms spielt für Verarbeitbarkeit, Haltbarkeit und optische Qualität eine große Rolle. Grubenlehm wird zerkleinert, gesiebt, nass eingesumpft, getreten bzw. gemischt und durch Zugabe von Sand, Faserstoffen und Wasser auf das richtige Mischungsverhältnis optimiert. Damit werden lehmtypische Schrumpfungs- und Reißprozesse vermieden bzw. verringert. Bei Beachtung der entsprechenden konstruktiven und bauphysikalischen Gesetzmäßigkeiten lässt sich mit dem einzigen „Nachteil“ von Lehm – er ist nicht wasserfest – problemlos leben. Lehmbauten halten bei richtiger Verarbeitung, Anwendung und Pflege ohne Festigkeits- und Qualitätsverluste dauerhaft.
Lehm ist der ökologische Baustoff überhaupt. Er erfüllt wie kein anderer baubiologische und ökologische Anforderungen und bietet hervorragende raumklimatische Eigenschaften:
- feuchteregulierend – Lehm nimmt Luftfeuchtigkeit schnell auf, gibt sie verzögert wieder ab und schafft damit eine weitgehend gleichmäßige Raumluftfeuchte im optimalen Bereich um 50%.
- wärmespeichernd – Lehm als schwerer Baustoff trägt zur passiven Nutzung der Sonnenenergie bei. Lehmbauteile speichern die Wärme, verzögern die Auskühlung im Winter und die Wärmeabgabe im Sommer. Sie bewirken damit eine Phasenverschiebung der sommerlichen Wärmespitzen und geben die Wärme zeitversetzt wieder ab.
- nicht brennbar – Lehm wird auch unter Beimengung von pflanzlichen Fasern in die Baustoffklasse A1-nicht brennbar eingestuft.
- akustisch günstig – Lehmoberflächen sind relativ weich und fein strukturiert, sie haben damit eine schalldämpfende Wirkung.
- geruchs- und schadstoffbindend – Tonminerale können Schadstoffe dauerhaft binden. Gerüche wie z.B. von Zigarettenrauch werden deutlich wahrnehmbar reduziert.
- alkalisch – Der pH-Wert von Lehm liegt normalerweise zwischen 7 und 8,5. Er wirkt damit einer Schimmelpilzbildung entgegen.
- konservierend – Lehm ist der ideale Holzschutz im Zusammenspiel mit Holz. Er entzieht dem Holz, das er umschließt, seine Feuchtigkeit, hält es trocken und schützt es vor Insektenbefall.
- schadstofffrei und naturbelassen – Lehm ist angenehm zu verarbeiten und greift die Haut nicht an.
- selbsthilfefreundlich – Lehm kann unter fachkundiger Anleitung sehr gut von Laien verarbeitet werden. Falls Bereiche misslingen, werden sie einfach wieder eingesumpft.
- regional verfügbar – Weite Transportwege entfallen in der Regel. Oft ist sogar der Bodenaushub aus der Baugrube mit entsprechender Aufbereitung verwendbar.
- wiederverwendbar und kompostierbar – Getrockneter Lehm, auch aus alten Häusern, wird durch Wasserzugabe wieder plastisch weich und verarbeitungsfähig. Lehm kann, sofern nur mit löslichen natürlichen Zusätzen versetzt, in die Erde zurück gegeben werden und entlastet damit die Bauschuttentsorgung.
- keine elektrostatische Aufladung seiner Oberfläche – Lehm zieht keinen Staub und keine Allergene an. Elektrisch neutrale Oberflächen sind ist ein Faktor für eine physiologisch günstige Ionenverteilung der Atemluft.
- abschirmend gegenüber hochfrequenter Strahlung – Forschungen haben ergeben, dass 24 cm dicke Lehmsteinwände die Strahlung von Mobilfunknetzen und schnurlosen Telefonen zu ca. 99% abschirmen. Gleichzeitig sind Lehmbaustoffe durchlässig für lebensnotwendige natürliche Strahlungen und Felder.
- sinnliche Qualitäten für Auge und Herz – Lehmoberflächen wirken durch ihre unregelmäßigen Strukturen, ihre Naturfarbtöne und damit ihrem je nach Lichteinfall und Tageszeit größeren Farbspiel anregend und gleichzeitig harmonisierend auf unsere Sinne.
Folgende Bauweisen kommen zum Einsatz:
Altbau, Sanierung
- Fachwerksanierung
- Sanierung von Wellerbau- und Stampflehmbauten
- Leichtlehm-Innendämmung
- Wickeldecken, Lehmfüllungen in Deckenfeldern
- Lehmfußböden
- Lehmmauerwerk für Außen- und Innenwände (tragend und nichttragend)
Neubau, Ausbau
- Lehmmauerwerk bis 2 Geschosse tragend
- Leichtlehmfüllungen in Holzständerwerk
- Stampflehmwände
- Gewölbe und Kuppeln gemauert mit Lehmsteinen
- Leichtbauwände aus großformatigen Lehmsteinen und –platten
- Innenverkleidung von Dach, Decke und Wand mit Lehmbauplatten
- Stapeltechniken in Wand und Decke mit ungebrannten Lehmziegelsteinen
- Hohlkammerprofilplatten aus Lehm als Wandheizflächen
- Verputz von Strohballenwänden mit Lehm
- Lehmputze innen und außen
- Freies Gestalten und Plastizieren mit Lehm und Lehmputzen
- Lehmgrundöfen zum Heizen mit Holz und Backöfen aus Lehm
Weitere ausführliche Informationen zum Lehmbau, zu Bezugsquellen von Lehm und Lehmprodukten, zu Preisen, zu Literatur, zu Adressen von Planern, Handwerkern und Naturbaustoffhändlern im Raum Berlin-Brandenburg, zu aktuellen Terminen von Veranstaltungen und Seminaren unter
www.lehmbaukontor.de
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